Profi vs. Hobbyfahrer – Der Ötztaler im Vergleich

Der diesjährige Ötztaler ist Geschichte und wir haben ihn mit Spannung verfolgt. Jedem ambitionierten Rennradfahrer ist der Ötztaler Radmarathon ja wohl ein Begriff. Es ist für viele Hobby-RadsportlerInnen der Marathon schlechthin. Eine Herausforderung, ein Traum und oftmals sogar eine Lebensaufgabe. Die einen haben das Ziel den Marathon überhaupt zu finishen, die anderen wollen den Marathon in einer gewissen Zeit bewältigen und wiederum andere fahren um den Sieg mit. In diesem Jahr konnten sich die Hobby-TeilnehmerInnen zum allerersten Mal mit den ganz Großen messen, nämlich den Radprofis. Der Ötztaler Pro 5500 – einem Rennen der Kategorie 1.1 – startete heuer mit seiner ersten Auflage als eines der schwersten Eintagesrennen.

So bietete sich die Chance exakt dieselbe Strecke zu fahren, wie sie die Profis nur wenige Tage zuvor bewältigen durften. Das ist bestimmt ein einzigartiges Gefühl für HobbyfahrerInnen, wenn man am Start weiß, dass sich zwei Tage zuvor die Profis an den gleichen Anstiegen versuchten. Wir wollten sie deswegen beide befragen und stellten einem Profi und einem Hobbyradler dieselben Fragen zum Rennen. Sie sprachen über ihre Emotionen während des Rennens und über persönliche Meinungen. Wo sind sich Hobby- und Profisportler einig und welche Tipps gibt es eigentlich für die Erstteilnahme?

Das Rennen bzw. der Marathon in Fakten: 238 Kilometer, 5500 Höhenmeter – einen interessanten Überblick über die Zahlen des Ötztalers hat schon Daniel von Speedville zusammengetragen – lest es hier.

Teilnehmer Ötztaler Pro 5500: ca. 160 Starter

  • Siegerzeit: 6:37:34

TeilnehmerInnen Ötztaler Radmarathon: ca. 4500 Starter

  • Siegerzeit Herren: 6:56:34
  • Siegerzeit Damen: 7:50:44

Fakten zu Dennis Paulus (Hrinkow)

  • Grösse: 179cm
  • Gewicht: 63kg
  • Alter: 22
  • Profi seit:  2013
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Dennis Paulus (c) Hrinkow

Fakten zu Joachim Steffek (Bernhard Kohl Racing Team)

  • Grösse: 171cm
  • Gewicht: 64kg
  • Alter: 34
  • Rennradfahrer seit:  2006

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Für so eine große Herausforderung braucht der Körper ordentlich viele Körner! Was gehört für dich also unbedingt an den Frühstückstisch?

Dennis: Ein heißes Porridge! Das mache ich mir schon seit Jahren und ist mir bis jetzt nicht langweilig. Ich tüftle oft an eigenen Rezepten. Nach dem Porridge esse ich je nach Bedarf, was es halt so gibt, aber vor allem auch gerne reifes Obst!
Josi: Seit ein paar Monaten esse ich zum Frühstück gerne Haferflocken, die ich am Abend davor in Hafer- oder Sojamilch einweiche und in den Kühlschrank stelle. Dadurch werden sie gut verdaulich und mit Bananen, Honig und Zimt schmeckt es auch sehr gut und macht schnell satt. Vor Bewerben esse ich meistens zusätzlich noch 1 bis 2 Semmeln mit Käse und Marmelade, aber eher nichts was lange im Magen liegt wie fette Wurst oder Vollkornbrot.

Neben der richtigen Stärkung ist es auch wichtig seine Ziele zu kennen, mit welcher Taktik startest du also in das Rennen?

Dennis: Wo es geht jedes Korn sparen! Nachdem es die meiste Zeit bergauf geht ist das leichter gesagt als getan. Hier muss man einfach alles investieren!
Josi: Beim Ötztaler habe ich mittlerweile eine mehr oder weniger bewährte Strategie. Zuerst einmal ist es wichtig, am Start nicht zu weit hinten zu stehen. Dadurch ist man auf der schnellen Fahrt das Ötztal hinunter sicherer unterwegs und entgeht in den ersten Kilometern das Kühtai hinauf dem Stau im Mittelfeld. 
Für das Rennen selbst überlege ich mir vorher, wie schnell die Endzeit realistischerweise sein soll bzw. kann und lege davon ausgehend die erforderlichen Durchgangszeiten auf den einzelnen Pässen, also Kühtai, Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch fest. Der Anstieg zum Brenner ist großteils ziemlich flach, dort beträgt das Tempo oft 30 km/h und mehr. Dadurch ist es enorm wichtig, dort nicht alleine unterwegs zu sein sondern sich wenn möglich in einer zügigen Gruppe zu verstecken und den Windschatten auszunutzen. So ist man nicht nur schneller unterwegs, sondern spart auch viele Körner, die man später an den verbleibenden 2 Anstiegen noch dringend braucht! 
Das Kühtai und den Jaufenpass hinauf sollte man das Tempo so dosieren, dass man auch das extrem lange und teilweise steile Timmelsjoch noch halbwegs übersteht, dort geht es dann für alle eigentlich nur noch darum, irgendwie drüberzukommen ohne komplett einzubrechen!

Ihr habt beide den Ötztaler bestritten – welche Gefühle durchlebt man da so während des Rennens?

Dennis: Leichte Nervosität, oder eigentlich eher ein wenig Gelassenheit in der Anfangsphase. Danach, bergauf, folgen Zurufe von einem kleinen Männchen im Kopf das sagt man solle immer weiter treten, denn die Kuppe „ist nicht mehr weit“. Am letzten und längsten der vier Anstiege denke ich mir nur, vorsichtig ausgedrückt: „Wieso verdammt nochmal muss es immer noch so weit hinauf gehen?!“ Über den Pass drüber ist man dann herrlich erleichtert, mehr oder weniger mal etwas die Beine hängen lassen zu können. Einfach der Schwerkraft den Job machen zu lassen!
Josi: Je öfter man startet, desto „normaler“ wird das Ganze, aber es bleibt trotzdem immer ein besonderes Erlebnis! Ich glaube, dass jeder Fahrer während des Ötztalers seine Höhen und Tiefen hat, man darf sich davon aber nicht entmutigen lassen, denn eine Stunde später kann es schon wieder ganz anders aussehen. Der Moment, wenn man nach 8 Stunden Schinderei endlich den Gipfel des Timmelsjochs erreicht, ist jedenfalls immer wieder aufs Neue unbeschreiblich!

Das können wir uns nur vorstellen wie das sein muss sich da durchzuquälen, apropos, wo quält man sich während des Rennens eigentich am meisten?

Dennis: Am ersten Anstieg, dem Kühtai, und am Timmelsjoch, dem letzten Anstieg. Der erste Berg wird einfach mit voller Wucht hinauf gefahren. Das Timmelsjoch ist Kopfsache – und wie! Nach drei Pässen mit vollem Tempo in den Beinen gilt es sich noch einmal für fast 30km bergauf fahren zu motivieren!
Josi: Definitiv am Timmelsjoch! Spätestens bei den letzten Kehren auf über 2000 m wird es richtig hart und der Anstieg scheint kein Ende zu nehmen!

Und welche Leistung verlangt dir ein Ötztaler generell ab?

Dennis: Es ist bestimmt nicht eines der intensivsten Rennen, aber eines bei dem eine Menge Kondition verlangt wird. Ein Rennen wie dieses wird bis zum Ende nicht schneller, es gehen bei den meisten einfach allmählich die Kräfte aus! Man spürt die lange Saison in den Beinen.
Josi: Beim ersten Mal war ich danach wirklich fix und fertig, da eine solche Belastung für mich ziemliches Neuland war und ich natürlich trotzdem alles herausholen wollte. Auch beim zweiten Antritt im Jahr 2013 war es grenzwertig, diesmal aber wegen des Wetters mit Dauerregen und 7 Grad am Start in Sölden und vielleicht 2 bis 3 Grad und Regen auf 2000 m am Kühtai. An die Abfahrt vom Kühtai hinunter nach Innsbruck erinnere ich mich nur ungern zurück.. Hinter dem Brenner hat der Regen dann aber zum Glück aufgehört und gegen Ende wurde es sogar noch sonnig und angenehm warm!
 Mittlerweile verkrafte ich das Rennen schon besser, da ich mich konsequenter darauf vorbereite und mir die Renndauer nicht mehr soviel ausmacht.

Wenn wir schon beim Leistungsthema sind – wie viel Watt trittst du eigentlich so im Schnitt?

Dennis: Das waren im ersten Abschnitt vom Kühtai um die 400W, da springen die Zahlen ziemlich stark auf und ab. Im Verlauf des Anstiegs und mit den Flachstücken legt sich das dann im Schnitt auf etwa 330W bei einer knappen Stunde. Einen nennenswerten kurzen Peak gibt es da nicht wirklich.
Josi: Wenn man sein Pacing beim Ötztaler nach den Leistungsdaten steuert, ist es besonders am Kühtai und am Jaufenpass wichtig, diese genau im Auge zu behalten. Gerade am Kühtai muss man sich selbst etwas zügeln, um nicht gleich am Beginn zu überdrehen.
 In meinem Fall sind es dort ca. 230 Watt, die ich durchschnittlich fahre. Am Jaufenpass dann etwas weniger, und am Timmelsjoch bin ich eigentlich froh, wenn bei der Wattanzeige noch ein 2er vorne steht!

Das sind ja extreme Wattwerte! Das durchzuhalten verlangt schon einiges von einem ab – wisst ihr wie viele Riegel/Gels/Trinkflaschen ihr so während des Rennens benötigt?

Dennis: Am Tag vor dem Rennen habe ich bereits gegessen bis nichts mehr ging. Weiter ging es beim Frühstück. Im Rennen waren es dann glaube ich 5xRiegel, 3xGels und etwa 10xTrinkflaschen.
Josi: Riegel esse ich eher am Anfang bzw. bis zum Anstieg auf den Jaufenpass, danach bekomme ich feste Nahrung während der Fahrt nur noch schwer runter.. Mehr als 3 Riegel gehen sich dabei meistens nicht aus. Den Großteil der benötigten Energie nehme ich daher in Form von Gels auf, davon sind es ca. 10 oder mehr. Dazu kommen Bananen und falls ich bei den Laben kurz stehen bleibe auch ein kleines Brot oder etwas anderes salziges.
Trinkflaschen waren es heuer 7 oder 8 zu je 0,75 Liter (mit 2 Flaschen bin ich gestartet, 2 habe ich am Brenner bei unserer privaten Verpflegung bekommen, dann noch eine am Timmelsjoch, zusätzlich zweimal an den Laben aufgefüllt).

Dennis – da muss man aber ordentlich reinhauen am Vortag wenn’s nach dir geht 😉 Hat jemand von euch schon vergleichbare Marathons bestritten?

Dennis: Was das Terrain und Besetzung angeht schon, aber keines was so lange war.
Josi: Ja schon einige! Zweimal den Supergiro Dolomiti, einmal den Maratona d´les Dolomites und einmal die mittlere Distanz beim Endura Alpentraum, den es mittlerweile leider nicht mehr gibt. Außerdem die Tour Transalp über 740 km und 18.000 hm in 7 Etappen im Jahr 2015.
Beim Ötzi selbst war ich mittlerweile schon 5 mal dabei und habe auch immer gefinisht (2011, 2013, 2014, 2015 und 2017).

Respektable Leistung Josi, du sitzt aber auch mehr am Rad als auf der Couch 😉 Wie fühlt sich das als Hobbyfahrer eigentlich an, die eigene Zielzeit mit der eines Rennradprofis vergleichen zu können (vice versa)?

Dennis: Ehrlich gesagt messen wir uns nicht mit den Zeiten der Hobbyfahrer. Bei einem Profirennen geht es generell um Platzierungen und nicht um Bestzeiten – bei uns richtet sich ein Rennen nach den Taktiken der Teams und diese Gestalten dann den Rennverlauf.
Josi: Grundsätzlich finde ich das sehr interessant, und ich freue mich dass seit heuer ein Profirennen auf der gleichen Strecke ausgetragen wird! Genau genommen hat man diesen Vergleich beim Marathon selbst aber auch schon, denn die Sieger bzw. teilweise die Top 10 erreichen mittlerweile Zeiten, die denen der Profis um nicht allzu viel nachstehen. Ich bin mir aber sicher, dass beim Profirennen noch deutlich schneller gefahren werden könnte, allerdings ist dort die Endzeit eher uninteressant, viel wichtiger ist die Platzierung! Daher wird dort taktischer gefahren und es gibt viele Tempowechsel.

Ich kenne mich und meinen Kopf – ich kämpfe immer sehr mit mir selbst. Was motiviert einen eigentlich immer wieder weiterzutreten?

Dennis: Ich denke dass jeder, oder sagen wir die meisten, motiviert sind einfach nicht aufzuhören. Doch in dem Fall, in diesem Rennen, konnte man sich keinen schlechten Tag oder eine schlechte Form leisten um das Ziel in der Karenzzeit zu erreichen. Also durchbeißen oder aussteigen.
Josi: Am Timmelsjoch treibt mich immer der Gedanke an, wie schön es sein wird, zuerst über den letzten Pass zu rollen und sich dann endlich in die Abfahrt Richtung Ziel in Sölden stürzen zu können! Heuer war es aber auch das Vorhaben, nach Problemen am Jaufenpass (wahrscheinlich zu wenig gegessen) noch das Mindestziel, nämlich eine 8-Stunden Zeit zu schaffen. Das hat mich angetrieben.

Dennis, du bist einer von 51 Radprofis die es ins Ziel geschafft haben, hat es eine Bedeutung für dich?

Manche mögen es anders sehen, aber einfach ist Ziel kommen ist für mich kein Ziel. Klar hat es mich gefreut es geschafft zu haben, das war schon ein tolles Erlebnis. Ein Rennen durchzufahren ist jedoch nicht die einzige Priorität für uns Profis…

Josi, du bist einer von 3769 Hobbyfahrern die es 2017 ins Ziel geschafft haben, was bedeutet das für dich persönlich?

Aufgrund der Schwierigkeiten, die dieser Marathon bietet, bin ich natürlich grundsätzlich froh, gesund ins Ziel gekommen zu sein. Das Finishen selbst ist mittlerweile aber nicht mehr die Herausforderung, sondern ich hatte eine bestimmte Zeit im Kopf, die ich erreichen wollte. Leider habe ich das heuer nicht ganz geschafft, mit 8:55 h war ich aber zumindest noch unter der 9 Stunden – Marke und auch halbwegs zufrieden, auch wenn ich 2015 schon etwas schneller war…

Eine letzte Frage noch an euch, welche Tipps gibt es für HobbyfahrerInnen, die den Ötztaler das erste Mal bestreiten werden?

Dennis: Nicht von anderen beeindrucken lassen und seinen Stiefel fahren.

Josi: Da gibt es sicher viele Tipps die man geben kann. Die wichtigsten sind meiner Meinung nach Folgende:

  • Früh genug zum Start kommen (mindestens eine Stunde vorher)!
  • Am Kühtai nicht überziehen und sich nicht von einigen Übermotivierten mitreissen lassen!
  • Schon in der Abfahrt Richtung Innsbruck nach einer Gruppe für den Brenner umschauen!
  • Das Timmelsjoch gedanklich in kleinere Teile oder zumindest in 2 Hälften aufteilen, dann wird es etwas erträglicher!
  • Last but not least: essen, essen, essen! Und natürlich auch genug trinken!

Wie ihr lesen konntet gibt es doch einige Gemeinsamkeiten. Das Timmelsjoch ist für beide keine Spazierfahrt, die Nahrungsaufnahme vor und während dem Rennen hat oberste Priorität und der Kopf spielt immer eine Rolle. Natürlich gab es auch Unterschiede in den Antworten – einerseits was den Rennverlauf/Taktik angeht, andererseits kann sich ein Hobbyradler natürlich das Tempo einteilen, wobei der Profi entweder mitzieht, oder aus der Karenzzeit fliegt.

Wir möchten uns an dieser Stelle für die Offenheit und die ehrlichen Antworten der beiden Radsportler bedanken. Dennis, dir weiterhin viel Glück im Radsportzirkus und Josi – irgendwann knackst du schon noch deine 8:30h 🙂

Eure Tini und euer Andy