Nach meiner ersten Auffahrt auf den Großglockner vergangene Woche, haben sich Andy und ich und nun auch an die Sella Runde gewagt. Diesmal war ich irgendwie nervöser als vor der Glockner Auffahrt. Ich wusste jetzt circa, was es bedeutet auf einmal 1400 Höhenmeter zu fahren, gut. Im Hinterkopf zu haben, dass die Sella Runde jedoch aus 4 Pässen besteht mit knapp 2000 Höhenmetern beschäftigte mich. Meine Beine hatten seit Donnerstag kaum eine Pause – gleich nach der Glockner Auffahrt, wanderten wir in Richtung Sonnblick, Glocknerstraße und eine kleine flache Runde am Fuße des Glockners, aber auch 20 Kilometer lang mit 700 Höhenmetern. Meine Beine waren im Dauereinsatz.
Everyday is legday.
Wie sollten die das da rauf schaffen? Zur Vorbereitung massierte ich täglich meine Beine mit der Blackroll, nahm Eisbäder, ging 2x am Tag in die Sauna und trug meine Compressport Kompressionssocken! Also ich nahm die Sache richtig ernst und hörte brav auf meinen Physiotherapeuten. Da meine OP gut ein halbes Jahr zurückliegt und ich noch immer nach schweren Anstiegen Schmerzen in meinem operierten Gelenk habe, musste ich einfach vorbeugen.
Strava Route – Sella Runde
Anreise per Auto
Irgendwie hatten wir eine sehr verkehrstüchtige Uhrzeit am Morgen erwischt. Laut Navigationssystem hätten wir von Lienz nach Corvara gut 1h 40min gebraucht. Effektiv waren wir 2h 30min unterwegs. Ich war schon ein großes Nerval. Ich möchte meinen, dass ich nicht unbedingt die ruhigste Beifahrerin bin, aber dieser Weg raubte mir den letzten Nerv. Zwischen 80 und 100 km/h waren die Autofahrer berechtigt zu fahren, doch wir nukelten mit 60 km/h durch die Botanik. Nicht aber weil wir hinter LKWs oder Wohnwagen festsaßen, nein die Italiener in ihren Fiat 500L (von denen es dort zu Hauf gibt) fuhren die Kurven wie wenn ihr Auto jedes Mal umkippen könnte wenn sie das Lenkrad einschlagten.
Wir waren ja mit dem Lieferwagen meines Bruders unterwegs und waren weit aus flotter als die Leute in ihren normalen Schüsseln. Also unbedingt Nerven mitbringen und die Anreise gut einplanen – ich denke es kommt wirklich auf die Uhrzeit an, aber dass an einem Montag so viel los wäre, hätten wir nicht gedacht.
Start in Abtei
Eine nette Instagram-Bekanntschaft hat uns empfohlen, den längsten Berg gleich am Anfang zu „schnupfen“. Deswegen, haben wir unser Auto in Abtei geparkt und die Entscheidung war auch gut, denn in Corvara war extrem viel Verkehr und Stau. Unendlich viele Menschen die nach Parkmöglichkeiten suchten – sogar mit dem Rad standen wir teilweise herum, bis wir dann wie die Motorradfahrer an der Kolonne vorbeifuhren. Das Wetter meinte es gut mit uns – es war nicht zu kalt, aber auch nicht zu warm. Trotzdem nahmen wir für alle Fälle mit, was in die Taschen passte. Armlinge, Knielinge, Ersatzunterleiberl, Halstuch & Stirnband und ebenso eine lange Jacke für jeden. Später sollte sich herausstellen, dass diese Entscheidung auf jeden Fall die Richtige war!
Der erste Pass von vier.
Passo Gardena – 2119 HM
Endlich waren wir am Fuße des Grödner Jochs, oder von den Italienern liebevoll Passo Gardena getauft, angekommen. Ich war tip top motiviert und strampfelte hoch. Das Grödner Joch war der längste Pass, der uns bevorstand. Der Pass fängt eigentlich ganz chillig an und über die gesamte Länge – gut 8 Kilometer – hat er immer zwischen 6-8%. Einmal kraxelt er ganz kurz auf 12% hinauf, aber da muss man kurz drübertauchen und schon gibts wieder die gewohnten 8%. Ich persönlich fand diesen Pass am schönsten! Die Länge ist eigentlich gar kein Problem am Anfang der Ausfahrt und auch die Steigung tritt man ganz leicht mit einer Übersetzung von 34 Zähnen vorne und 30 Zähnen hinten, wie ich sie fahre. Vor mir fuhren auch Männer mit drei Kettenblättern vorne und sie konnten mich nicht abschütteln 😉 Ein Wanderer am höchsten Punkt des Passes blickte auch ganz verwundert auf unsere Kettenblätter und meinte – zwei Vorne reichen? Na klar!
Der Ausblick den Pass nach oben fahrend raubt einem schier den Atem. Es ist unglaublich schön, diesen nach oben zu treten – jede Kehre macht Spaß und ist anders. Leider ist auf diesem Pass auch der meiste Verkehr, doch bergauf stört das eigentlich kaum. Halstuch rauf, lange Jacke an und sich in Rennposition begeben – die Abfahrt wartet. Hier kann man die Leute einholen, die einen bergauf überholt haben 😉 Das mache ich ganz gerne 😛 Bergab kann man dann auch noch den ein oder anderen PKW überholen 🙂 Die Abfahrt selbst ist halt relativ kurz, aber sie stimmt einen schon auf den Rest der Runde ein!
Wieder bergauf!
Passo Sella – 2230 HM
Kaum ist man unten angekommen, geht es auch schon wieder bergauf. Es geht wieder mit den gleichen Prozentzahlen nach oben – soweit ich mich erinnern kann. Ich habe mich schon sehr stark an der Prozentanzeige am Garmin orientiert, weil ich weiß, dass ich mir ab 10% sehr schwer tue und bis 8% keine Probleme habe. Da war es für meinen Kopf ganz gut zu wissen wie die Lage ist 😉 Dieser Pass ist mit 5 Kilometern einer der kürzeren Anstiege, aber nicht zu verachten! Dort blast schon ordentlich der Wind – wir hatten Gegenwind und die Wolken verdeckten die Sonne. Die Luft war extrem kühl beim einatmen und tat mir teilweise auch schon weh – aber es half nichts, umdrehen gibts bei dieser Runde nicht!
Der Ausblick von diesem Pass über den Sella Stock ist wirklich extrem einzigartig. Mir gefiel dieser Ausblick am besten! Ich habe Andy gleich dazu verdonnert ein Panorama-Foto zu machen. Leider konnte der nette Radfahrer am Passo Sella nicht so gut mit meiner Kamera und dem Fokus umgehen – daher etwas verschwommen 😉
Wieder rein in die Jacken, Stirnband auf und den Pass runter schmeißen. Diese Abfahrt war so richtig geil! In den Kehren konnte man sich richtig schön reinlegen und extrem schön vorausschauend fahren. Es machte riesen Spaß. Ich schüttelte Andy zeitweise ab und der konnte es gar nicht fassen, was für einen Speed ich drauf hatte! Danke an dieser Stelle nochmal an Roadbiker für mein spitzen Bikefitting – des kaun scho wos 😉 Bergab kann ich einfach nicht stehen bleiben um Fotos zu schießen – sicher würden da geniale Schnappschüsse entstehen, aber eine Abfahrt muss man doch einfach genießen!
Der dritte Pass treibt dich an deine Grenzen.
Passo Pordoi – 2241 HM
Am Fuße des Passes angekommen zieht sich der Passo Pordoi – von uns Pordoi Joch betitelt – stetig nach oben. Ich hatte langsam Hunger und fing an während des Bergauf-Fahrens meinen Bananen-Hafer-Riegel zu mampfen. Eine ziemlich schlechte Idee wie sich herausstellte. Meine Backen waren gefüllt, wie einst die von meinem Hamster Blitzi (Gott hab ihn selig). Der Speichel ging mir aus und nebenbei wollte ich ja auch noch atmen! Ich verschluckte mich und hatte eine Hustenattacke haha – selten so gelacht. Ich bat Andy mich kurz zu schieben, damit ich den deppaten Riegel oweschlucken konnte! Mei – oiso bergauf essen ist ja bekanntlich die dümmste Idee überhaupt – schon kapiert! Nachdem ich dann meinen Riegel endlich hinuntergewürgt hatte konnte ich mich wieder auf die Auffahrt konzentrieren.
Der Passo Pordoi ist der höchste Gipfel den man bei der Sella Runde bewältigen darf. Man fährt gut 6 Kilometer berghoch. Für mich war dieser Pass ein gewaltiger Kampf. Man hat bereits über 1000 Höhenmeter in den Beinen und dann fetzt der dritte Pass so richtig rein. Von Pass zu Pass wurde der Verkehr glücklicher Weise auch immer weniger. Am Anfang fuhr man durch einen schönen Wald durch und hatte immer den Blick auf die fetten Berge ringsherum. Gegen Schluss erinnerte mich der Anstieg an die Landschaft des Großglockners. Man sah die Pass-Straße die man noch vor sich hatte. Wie sie sich den Berg hinauf schlängelte. Das ist für mich mental auch immer schwierig – zu sehen wie weit es noch ist. Da versuche ich mich immer abzulenken, indem ich daran denke, was ich schon hinter mir habe.
Ich konnte nicht mehr. Bei einem kleinen Schotterparkplatz wollte ich halt machen und deutete Andy, dass ich stehenbleiben möchte, doch in dem Moment feuerte mich eine Frau aus dem Auto heraus an „Go-Go-Go-Go“. Sie lächelte mich an und winkte mir zu. Ich war wieder motiviert und zog durch.
Endlich. 1580 HM in den Beinen. Angekommen am Pass Pordoi. Oben deuteten die Wanderer mit Daumen hoch als wir es endlich geschafft hatten. Es ist ein schönes Gefühl. Nur mehr ein Anstieg steht dir bevor, doch davor mal wieder eine feine Abfahrt! Also diese Kehren waren wirklich wieder grandios. Die Abfahrt vom Passo Sella und vom Pass Pordoi machten einfach Lust auf mehr. Soetwas könnte ich echt ewig hinunterrollen. Dieser Pass hat mich sogar dazu verleitet einmal stehen zu bleiben und ein Foto zu machen – und das soll etwas heißen!
Alle guten Dinge sind – diesmal vier
Passo Campolongo – 1850 HM
Nur noch 3 Kilometer berg auf trennen dich von der Vollendung der Sella Runde! Der kleine Hundling – wie ich ihn nannte! Der kürzeste Berg mit den steilsten Prozent – war ja eh irgendwie klar! Nicht vergleichbar mit den Prozenten des Glockners, aber man musste schon permanent 9,5% treten und das nach bereits 48 Kilometern und 1600 Höhenmetern in den Beinen! Geschafft! Am Pass Campolongo – nein, nicht Campagnolo 😉 angekommen! Noch schnell ein Foto, wieder warm anziehen und die letzte Abfahrt genießen. Ich kann mich hier nur immer wiederholen – diese Kehren. Sowas gibt es im Burgenland nicht. Irgendwie gleitet man durch diese Kurven, es ist ein ganz anderes Gefühl. Es rollt einfach anders – gell Andy 😉
Meine Oma würde jetzt wohl sagen – „Jo Tina, jetzt host olle deine Sindn obiast!“ – und ja, ich denke das habe ich. Von Glückgsgefühlen über Anstrengung bis hin zu Schmerzen war doch alles dabei, doch lang nicht so wild! Ich bin fasziniert davon, dass man alles schaffen kann. Erst im Dezember operiert hätte ich nie gedacht, in diesem Jahr noch so viel zu erleben! Ich bin extrem stolz auf mich selbst und jeder der sich das antut – Hut ab! Auch an die Teilnehmer des Ötztaler Radmarathons – was ihr da vorhabt ist wirklich heftig – ich drücke euch die Daumen!
Die Sella Runde ist ebenso eine der beliebtesten Runden bei den Hobbyradsportlern und ich kann nun auch verstehen warum! Es sind gewaltige Eindrücke die man auf der Sella Runde mit sich nimmt – diese riesigen Gebirge, die einzigartigen Serpentinen und die radelnden ItalienerInnen die einen immer wieder lächelnd mit „Ciao“ begrüßen! Nach technischen Schwierigenkeiten mit meiner alten Canon – ich dachte schon sie wäre „tot“ – bin ich echt froh, dass die Bilder doch halbwegs etwas geworden sind!
Wem die Bilder aber nicht reichen – packt euch zusammen, setzt euch ins Auto und fahrt los – die Sella Runde wartet auf euch und wird allen Ansprüchen gerecht. Wir kommen wieder!
Eure Tini